Durch künstliche Beatmung kann das Leben schwerkranker Corona-Patienten gerettet werden. Was aber geschieht, wenn ich in meiner Patientenverfügung geregelt habe, dass ich nicht rein von Maschinen am Leben gehalten werden will? Besteht hier akuter Handlungsbedarf wegen Corona?

In einer Patientenverfügung wird regelmäßig im ersten Teil erklärt, für welche Situationen diese gelten soll. In den Standardformularen sind meist vier klassische Fälle genannt: Der unabwendbare Sterbeprozess, eine fortgeschrittene Demenz, ein dauerhaftes Koma und eine weit fortgeschrittene Tumorerkrankung. Bei einer Lungenentzündung durch Corona ist zunächst einmal keine dieser vier Situationen eingetreten. Es handelt sich bei Corona um eine behandelbare Erkrankung, jedoch unter Intensivbedingungen. Durch eine klassische Patientenverfügung wird somit eine Beatmung für Corona-Patienten nicht ausgeschlossen.

Bei einer Einlieferung in ein Krankenhaus mit Corona-Verdacht bzw. auch einer bereits festgestellten Corona- Infektion ist der Patient normalerweise einwilligungsfähig; auf die Patientenverfügung kommt es also zunächst einmal nicht an. Denn solange ein Mensch seinen Willen äußern kann, ist dieser für die Behandlung absolut bindend. Eine Patientenverfügung wird erst dann relevant, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, auszusprechen, welche Behandlung er wünscht oder ablehnt.

Verschlechtert sich der Zustand eines an Corona erkrankten Patienten so stark, dass dieser seine Einwilligungsfähigkeit verliert, kommt es darauf an, ob eine Patientenverfügung vorliegt, die diesen Fall erfasst. Beispielsweise könnte er im Bewusstsein, aufgrund seines Alters und verschiedener Vorerkrankungen zur Corona-Risikogruppe zu gehören, verfügen, bei einem schweren Verlauf keine Beatmungstherapie zu erhalten, sondern eine gute palliative Versorgung, um ein Erstickungserleben zu vermeiden.

Es ist sinnvoll, jetzt wegen der Corona-Pandemie seine Patientenverfügung zu prüfen und zu ergänzen. Für den Fall einer Erkrankung an Covid-19 können explizite Ausnahmen in einer bereits bestehenden Patientenverfügung getroffen werden; zumindest aber sollte die Patientenverfügung überprüft und erforderlichenfalls konkretisiert werden. Im Rahmen einer Patientenverfügung kann jeder Volljährige für eine Vielzahl von Situationen festlegen, wie er behandelt werden möchte und damit seine Selbstbestimmung wahren. Durch die Corona-Pandemie ändert sich hieran im Grundsatz nichts. Jedoch steigt das Risiko, in eine Situation zu kommen, in denen diesbezügliche Festlegungen von Bedeutung sind. Es liegt deshalb nahe, sich mit dem Thema jetzt zu beschäftigen und eine schon vorhandene Patientenverfügung zu überprüfen und ggf. zu ergänzen oder aber eine Patientenverfügung erstmals zu errichten.

Die Patientenverfügung sollte unbedingt die Möglichkeit bieten, für verschiedene Krankheitssituationen unterschiedliche Festlegungen zur medizinischen Behandlung und Versorgung im Ernstfall treffen zu können. Mit einer derartigen Patientenverfügung ist der Patient in der Lage, die beispielsweise bei einer Corona-Erkrankung so wichtige künstliche Beatmung in Abhängigkeit zur allgemeinen Lebenssituation und zur Schwere des Krankheitsbildes zu regeln. Wenn dies gut überlegt und detailliert verfügt wird, ist die Angst, bei der Behandlung wegen einer Patientenverfügung benachteiligt zu werden, unbegründet.

Viele im Umlauf befindliche Formulare bieten diese Möglichkeit der Differenzierung leider nicht. Auch die früher üblichen, sehr allgemein gehaltenen Patientenverfügungen entsprechen nicht den strengen Vorgaben der Rechtsprechung und sollten nicht länger verwendet werden, da ihnen im Ernstfall wegen fehlender Bestimmtheit keine rechtliche Wirksamkeit zukommt.

Generell gilt, dass eine Patientenverfügung in Corona-Zeiten auch für junge Menschen sinnvoll ist, auch wenn diese nicht zur Risikogruppe gehören. Auch jeder junge Mensch kann, etwa durch einen Unfall mit anschließendem Koma, in die Lage kommen, nicht mehr selbst über seine Behandlung entscheiden zu können. Vorsorge treffen ist immer wichtig.

Bei diesen Themenkomplexen stehen wir Ihnen für Ihre Rückfragen gerne zur Verfügung!

Rudolf Günter, Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht