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Gesichert für den Ernstfall:

  1. Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sie neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll.
  2. Die schriftliche Äußerung, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.
  3. Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2017 – XII ZB 604/15

 

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Betroffene im Mai 2008 einen Schlaganfall erlitten, welcher schlussendlich, ab Juni 2008, zu einem wachkomatösen Zustand führte.

1998 hatte sie eine Patientenverfügung unterzeichnet, in welcher sie unter anderem verfügte, dass sie ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfungen der angemessenen Möglichkeiten erwarte, soweit Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht.

Lebensverlängernde Maßnahmen sollten u.a. unterbleiben, sofern eindeutig feststünde, dass sie sich in einem unmittelbaren Sterbeprozess befinde und wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe.

Aktive Sterbehilfe lehne sie ab.

Als Betreuer waren sowohl der Sohn der Betroffenen als auch deren Ehemann eingesetzt, welche sich nicht einig waren, ob die lebensverlängernden Maßnahmen gemäß dem ersten Wunsch abgeschaltet werden sollten (Sohn) oder die Maschinen weiterlaufen müssten, da ein Abstellen aktive Sterbehilfe sei (Ehemann).

Durch die Entscheidung wurden die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Patientenverfügung gemäß § 1901 a BGB weiter konkretisiert.

Nach § 1901 a Abs. 1 S. 1 BGB kann ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegen, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung). Ein Betreuer prüft bei Eintritt der Voraussetzungen, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

Eine Patientenverfügung ist nur in den engen Grenzen des genannten § 1901 a Abs. 1 S. 1 BGB strikt verbindlich.

Greifen diese nicht, sind die konkreten Behandlungswünsche, hilfsweise der mutmaßliche Wille festzustellen und auf dieser Grundlage, die dann allenfalls indizielle Wirkung hat, ist zu entscheiden, ob eine Maßnahme durchgeführt wird oder nicht.

Darüber hinaus ist in solchen Fällen die Regelung des § 1904 Abs. 1 BGB zu beachten, wonach die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich ist, sofern die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme, für welche sich der Betreuer entscheidet, stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.

Wie der obige Fall verdeutlicht, ist es von erheblicher Bedeutung, wie eine Patientenverfügung verfasst ist, damit es nicht zu widersprüchlichen Auslegungen des Willens der Betroffenen kommt. Eine endgültige Entscheidung kann so, aufgrund der gerichtlichen Verfahrensdauer, über viele Jahre hinausgezögert werden. In den seltensten Fällen kommt dies dem Betroffenen zugute.

Unser Fachanwalt für Medizinrecht, Joachim Schmidt, berät Sie jederzeit gerne in den Themen General- und Vorsorgevollmacht, Patienten- und Betreuungsverfügung, damit Sie für die Zukunft optimal abgesichert sind.

 

Aachen im März 2017

 

Matthias Draheim,

Rechtsreferendar