Bei Brustimplantation ist nicht über Risiken späterer Explantation aufzuklären
zu OLG Frankfurt a. M. , Urteil vom 06.11.2018 – 8 U 76/15
Zwar muss ein Arzt über das Risiko der Beschädigung eines Brustimplantats bei einer Schönheitsoperation umfassend aufklären. Das Risiko, dass das Brustimplantat nicht bei der Implantation, sondern erst bei einer späteren Explantation beschädigt wird, wird jedoch nicht vom Schutzzweckzusammenhang dieser ärztlichen Aufklärungspflicht umfasst.
Die Klägerin forderte nach dem Austausch ihrer vermeintlich beschädigten Brustimplantate Schmerzensgeld in Höhe von € 50.000,- wegen angeblich fehlerhafter Behandlung und Aufklärung von ihrem Arzt und begehrte die Feststellung, dass dieser für alle künftigen materiellen sowie immateriellen Schäden aus der vorbenannten Behandlung ersatzpflichtig sei.
Im März 2003 hatte die Klägerin einen Verkehrsunfall und klagte seitdem über Schmerzen in der rechten Brust, weshalb sie eine Mammographie durchführen ließ. Ein Bruch ihrer im Jahr 2000 eingesetzten Silikonbrustimplantate (McGhan Style 120, 220 cc) war auf den Bildern der Mammographie nicht zu erkennen. Dennoch bestätigte der Beklagte im Februar 2004 in einem plastisch-chirurgischen Fachgutachten, dass das rechte Silikonimplantat der Klägerin eine Ruptur aufweise. Das Gutachten war notwendig, um Ansprüche der Klägerin gegen ihre Unfallgegnerin zu stützen.
Die Klägerin ließ daraufhin im Jahr 2004 durch den Beklagten ihre Brustimplantate durch größere (310 cc), mit Titan beschichtete Brustimplantate des Unternehmens PIP austauschen. Die ursprünglichen Implantate stellten sich nach der Explantation unversehrt dar, wenngleich sich im „craniomedialen Quadranten der rechten Brust“ eine Ruptur der Implantatkapsel mit narbigen Verwachsungen zeigte.
Auch die neuen Implantate ließ die Klägerin 2012 entfernen, als ihr bewusst wurde, dass sie unter Umständen vom PIP-Skandal betroffen sein könnte.
Die Klägerin trug diesbezüglich vor, dass der Beklagte ihr 2004 den Austausch der ursprünglichen Implantate angeraten hatte und die nunmehr herausgenommenen titanbeschichteten Implantate als vergleichsweise sicherer beworben hätte. Allerdings sei das rechte Implantat gerissen und habe Gel ausgeschwitzt und sie dadurch gesundheitlich massiv beeinträchtigt. Der Beklagte wiederum erwiderte, dass die Klägerin 2003 ohne medizinische Veranlassung größere Brustimplantate gewünscht hätte. Sein eine medizinische Veranlassung nahelegendes Gutachten habe bloß als so genanntes Gefälligkeitsgutachten die Kostenzusage des gegnerischen Haftpflichtversicherers bezweckt. Die Klägerin habe die ursprünglichen Implantate unbedingt loswerden wollen. Die Klägerin legte Berufung ein, nachdem das LG Frankfurt die Klage als unbegründet abgewiesen hat.
Das OLG Frankfurt hat jedoch keinen Behandlungsfehler festgestellt und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil nunmehr zurückgewiesen. Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Beklagte am 14.06.2004 keinen nicht indizierten Eingriff vorgenommen hat, sondern dass zwischen den Parteien eine „medizinisch nicht notwendige Operation aus ästhetischer Indikation heraus“ vereinbart wurde. Hierfür streite, dass sich die von der Klägerin unterschriebene Einverständniserklärung ausdrücklich auf „kosmetische Operationen“ beziehe. Handschriftlich sei die Operation als „Austausch der Brustimplantate gegen größere mit silikongel-gefüllte Implantate“ benannt gewesen. Zudem tat die Klägerin zudem informatorisch kund, dass ein zuvor konsultierter Schönheitschirurg die Behandlung mit der Begründung abgelehnt habe, er mache keine „Unfallgeschichten“. Schließlich spreche auch der lange Zeitraum zwischen Unfall, Mammographie und Eingriff für den rein kosmetischen Charakter der Operation. Hätte die Klägerin tatsächlich befürchtet, dass aus den vermeintlich beschädigten Implantaten Silikon austreten würde, hätte sie wahrscheinlich nicht so lange Zeit damit gewartet bei dem Beklagten vorstellig zu werden.
Eine Verletzung von Aufklärungspflichten im Kontext der Einsetzung der neuen Implantate nimmt das OLG Frankfurt gleichsam nicht an. Zwar sei über das Risiko, dass sich bei Implantaten Risse bilden können, die zum Austritt von Silikon führen, mit der gebotenen Dringlichkeit aufzuklären. Diesen Aufklärungspflichten sei der Beklagte in der Tat nicht mit der angebrachten Sorgfalt nachgekommen. Jedoch sei nicht festzustellen, dass sich durch die erfolgte Operation ein aufklärungspflichtiges Risiko realisiert habe. Zwar habe bei dem rechten Implantat 2012 ein Riss mit Silikonaustritt vorgelegen. Allerdings sei nicht erwiesen, dass das Implantat bereits vor der Explantation beschädigt gewesen ist. Die Ruptur könne auch unbeabsichtigt und unbemerkt bei der Explantation verursacht worden sein. Eine Beschädigung bei der Explantation sei jedoch kein Risiko der Implantation. Lediglich mit dem Eingriff immanent einhergehende Risiken seien dem Schutzzweck der hier verletzten Aufklärungspflicht zuzurechnen.
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Aachen, im Januar 2019
Mag. iur. Arne Klingebiel,
Juristischer Mitarbeiter