Im nachfolgenden Artikel möchten wir Sie, als unsere Mandanten, auf die aktuelle Entwicklung im Transportrecht aufmerksam machen.
I. Einleitung
Im Transportrecht Tätige sehen sich nach wie vor einer zersplitterten Vielzahl von Normen gegenüber, die teilweise nicht aufeinander abgestimmt sind. So begegnet es oft Unverständnis, dass bei einem Transport mit Lkw innerhalb von Deutschland vollkommen andere Normen einschlägig sind, als es bei internationalen Luftbeförderungen der Fall ist.
Warum ein Auftragnehmer beim nationalen Lkw-Transport im Schadenfalls durch Personaldiebstahl oft in Schadenshöhe unbegrenzt haftet, aber bei einem entsprechenden Schaden auf dem internationalen Luftweg selbst bei nachgewiesenem Vorsatz nur begrenzt, ist in der Tat schwer einzusehen. Dabei muss bedacht werden, dass die Rechtsfolgen hinsichtlich der geografischen Abläufe beim Transport zu unterscheiden sind, denn während der nationale Transporte weitestgehend dem HGB unterfallen, gelten für internationale Transporte überwiegend internationale Rechtsabkommen. Die unterschiedlichen Verkehrsträger erhöhen ebenfalls die Komplexität, denn die einschlägigen Normen ergeben sich je nachdem, ob mit Flugzeug, Lkw, Eisenbahn oder See- bzw. Binnenschiff transportiert wird. Anders als bei internationalen Rechtsabkommen sind im HGB die Normen weitgehend unabhängig vom Verkehrsträger (Luft, Land, Wasser) anzuwenden.
II. Anwendbarkeit von Transportrecht
Während Leistungen aus dem Bereich der Logistik insbesondere dienst- und werkvertragsrechtliche Merkmale haben, unterscheidet das HGB zwischen dem Frachtvertrag mit geschuldeter Beförderung von Gütern, dem Speditionsvertrag, der (nur) zur Besorgung der Beförderung verpflichtet und zwecks Rechtsvereinfachung entfallen sollte, sowie dem Lagervertrag.
Vor diesem Hintergrund hatte sich das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 11.1.2017, Az. I-18 U 164/15, mit der Frage zu befassen, ob ein typengemischter Vertrag als Frachtvertrag im Sinne des HGB einzuordnen sei. Wenn „vertragscharakteristische Leistung“ eine Güterbeförderung ist, so sind demnach die §§ 407 ff. HGB und ergänzend die §§ 631 ff. BGB einschlägig, da der Frachtvertrag ein Unterfall des Werkvertrags sei. Dem stehe eine dienstvertragliche Komponente der Rahmenvereinbarung nicht entgegen. Bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um die Durchsetzung einer Frachtforderung.
Besteht allerdings Streit über die Rahmenvereinbarung als solche, sollen transportrechtliche Gerichtsstände nach dem Urteil des LG Aachen vom 21.03.2017, Az. 41 O 57/15, nicht gelten. Derartige Entscheidungen sind hilfreich, weil Transportabläufe häufig Teil so genannter Logistikverträge sind, die weitere Leistungselemente, unter anderem Lagerung, Verladen, Verpackung, Teilfertigung, umfassen.
Dass bisweilen die besonderen transportrechtlichen Vorgaben nicht angewendet werden, obwohl der Tatbestand dies nahelegt, zeigt ein Urteil des LG Berlin vom 22.2.2017, 100 O 80/15, zur Haftung eines so genannten Bodenabfertigungsdienstes. Das Gericht hatte seine Entscheidung ausschließlich auf allgemeine Haftungsgrundsätze gestützt, obwohl der Transport auf dem Flughafengelände transportrechtliche Charakteristika umfasste.
Andererseits hat das LG Augsburg in seiner Entscheidung vom 31.1.2017, Az. 081 O 1732/15, geurteilt, dass deutsches Frachtrecht anzuwenden sei, wenn der Auftrag zum Abschleppen eines Fahrzeugs von einem Parkplatz erteilt wird. Solche Grundsätze können auf Behördeneingriffe übertragen werden, wobei sich das OVG Münster am 21.11.2017, Az. 5 A 1467/16, mit der Verwaltungspraxis beschäftigte. Diese Entscheidungen zeigen eine Grundproblematik: Wann vertragsrechtlich die Bewegung von Sachen zuzuordnen ist, begegnet weiterhin Argumentationsspielraum.
Weitere Berührungspunkte hat das Transportrecht zu den §§433 ff. BGB, denn Güterbeförderungen dienen üblicherweise der Erfüllung kaufrechtlicher Pflichten. Das OLG Nürnberg hat deshalb mit seinem Urteil vom 22.2.2017, Az. 12 U 812/15, unter Bezugnahme auf die Incoterms (Internationale Handelsklauseln) ausgeführt, dass die Verkäuferpflicht zum Verbringen der Ware auf das Beförderungsmittel nicht die Ladungssicherung umfassen muss. Derartige Entscheidungen sollten im Dreiecksverhältnis bezüglich Käufer, Verkäufer und Transporteur bei einem Schadensfall ganzheitlich betrachtet werden.
III. Allgemeine Geschäftsbedingungen
Das Transportgewerbe ist geprägt von der Verwendung zahlreicher unwirksamer AGB. Da deren Verwendung in diesem oft nicht von Verbraucherschutz betroffenen Bereich grundsätzlich sanktionslos ist, bedarf ein Beschluss des BGH vom 25.1.2017, Az. I ZR 113/15, besonderer Beachtung.
Der BGH hatte sich damit befasst, dass ein Transportunternehmer weiterhin eine gerichtlich als unwirksam erkannte Klausel verwendete und vermeintlich gleichwohl auf deren Geltung vertraute. Inhaltlich ging es um die Berechtigung zur Ablieferung einer Sendung beim Nachbarn. Indem sich die dortige Beklagte entgegen der vorausgegangenen gerichtlichen Einschätzung noch auf ihre Berechtigung zur Abgabe bei einem Nachbarn berief, war ihr so genanntes qualifiziertes Verschulden (§ 435 HGB) anzulasten. So bestätigte der BGH die Unwirksamkeit einer so genannten Ersatzzustellung-Klausel.
Solche Urteile haben Signalwirkung, denn Schwerpunkt künftiger Rechtsstreitigkeiten werden die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) sein. Die Gerichte müssen dazu entscheiden, ob den ADSp 2017 eine besondere Rechtsverbindlichkeit zukommt, da – anders als bei den einseitig erstellten ADSp 2016 – Unternehmensverbände beider Marktseiten mitwirkten. Der BGH war vor dem Inkrafttreten des Transportrechtreformgesetzes (TRG) in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass üblicherweise die ADSp als eine quasi fertig bereitliegende Rechtsordnung kraft stillschweigender Unterwerfung anwendbar seien, obwohl der Vertragspartner gegebenenfalls nichts von deren Inhalt weiß.
IV. Transportrechtliche Haftung
Den weitaus größten Anteil an Gerichtsverfahren haben hier die Haftungsprozesse. Das kodifizierte Recht sieht diesbezüglich grundsätzlich vor, dass ein Frachtführer bei nachgewiesenem Schaden am Gut in seiner Obhut summenmäßig begrenzt – nach dem Gewicht der Sendung bemessen – haftet, aber sowohl wegen so genannten qualifizierten Verschuldens den vollen Schadensausgleich schulden oder aber beim Führen des Entlastungsbeweises haftungsbefreit sein kann. Hierbei ergeben sich Besonderheiten gegenüber der Prozessführung in diversen anderen Bereichen. Insbesondere ist es nicht ausreichend, Haftungsfragen nur anhand von Normen einzuschätzen, sondern unbedingt geboten, die spezifische Rechtsprechung zu bedenken. Charakteristisch war dabei im Berichtszeitraum abermals die Bedeutung von Beweiswürdigung und prozessualer Einlassungsobliegenheit. Zunächst ist es Sache des Geschädigten, den Transportschaden zu belegen.
Dazu hat das LG Düsseldorf mit Urteil vom 28.3.2017, Az. 35 O 59/16, entschieden, dass nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu befinden sei, ob eine Sendung zu Schaden kam. Andererseits habe der Transportunternehmer sodann eine prozessuale Einlassungsobliegenheit zum Schadensverlauf, was auch bei Massenbeförderung gelte. Dass die Verkaufsrechnung mit Bezug zu dem geschädigten Gut insoweit für das Gericht wichtige Indizwirkung hat, wurde vom OLG München am 16.3.2017, Az. 14 U 1835/16 hervorgehoben. Beim Schadensnachweis kann nach Ansicht des LG Ulm im Urteil vom 19.5.2017, 10 O 36/16 der Schadensverdacht genügen, wenn dieser nicht in zumutbarer Weise kurzfristig ausgeräumt werden kann oder eine Weiterverwendung des möglichweise zu Schaden gekommenen Gutes nicht zuzumuten ist.
Wie sehr sich Urteile zum Transportrecht voneinander unterscheiden, zeigt das Urteil des BGH vom 1.6.2017, Az. I ZR 29/16. Will der Geschädigte die Haftungsbegrenzung durchbrechen, soll es im internationalen Binnenschifffahrtsrecht nicht genügen, das qualifizierte Verschulden von Bediensteten nachzuweisen, da dies dem Frachtführer nicht zuzurechnen sei. Dem gegenüber wird die Rechtsprechung grundsätzlich davon geprägt, dass der Frachtführer auch für seine so genannten Leute haftet. Dazu hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 13.7.2017, Az. 6 U 149/16, entschieden, dass für Unterbefrachter und Schiffbesatzung Haftung zu übernehmen sei. Beide Aspekte – der Schadennachweis und der Verschuldensnachweis – zeigen, dass es im Transportrecht grundsätzlich nicht auf den Strengbeweis, sondern vielmehr auf richterliche Wertungen ankommt.
Neben vorstehen der typischer Haftungssituation kommen Haftungsrisiken in Betracht, die nicht sogleich auf der Hand liegen. Hierbei hat der BGH mit Urteil vom 16.5.2017, Az. X ZR 120/15, erklärt, dass Transporte unter Verletzung fremder Schutz- und/oder Patentrechte Sanktionen begründen können, wobei aber der Frachtführer grundsätzlich nicht zur Prüfung einer etwaigen Verletzung verpflichtet sei, sofern keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen. Möglich ist ferner, dass Schaden dem Frachtführer entsteht, unter anderem bei Kündigung des Auftrags (§ 415 HGB). Diesbezüglich hat das OLG München mit Urteil vom 9.8.2017, Az. 7 U 3339/16, vorgegeben, wie ersparte Aufwendungen anzurechnen seien. Letztlich kann der Auftraggeber gegenüber dem Frachtführer haftbar sein, etwa 2017 – der Lkw durch Gut geschädigt wird und der Fahrer den Angaben des Versenders vertraute.
V. Versicherung
Wie kaum ein anderer Bereich ist Transportwesen angesichts der Haftungsrisiken von Versicherungen gekennzeichnet. Dies gilt beiderseits: Aufseiten der Transportunternehmer sind üblicherweise so genannte Verkehrshaftungsversicherer eingebunden, während aufseiten gewerblicher Auftraggeber, der so genannten Verlader, regelmäßig so genannte Warentransportversicherer die Regulierung übernehmen. Häufig befassen sich deshalb die Gerichte mit versicherungsrechtlichen Aspekten, die aus Transportschäden resultieren.
So hat auch der BGH im Beschluss vom 11.1.2017, Az. IV ZR 74/14 ausgeführt, dass ein Versicherungsnehmer den Versicherungsfall darzulegen und zu beweisen hat und dass die transportrechtliche Rechtsprechung des I. Zivilsenats darauf nicht übertragbar sei. Demnach bestehe zwar in der frachtrechtlichen Beziehung zwischen Auftraggeber und Transportunternehmer eine spezifische Darlegungs- und Einlassungsobliegenheit angesichts fehlender Einblicke, derartige Erwägungen seien jedoch – so der hier für das Versicherungsrecht zuständige Senat beim BGH – nicht vergleichbar, weshalb eine Übertragung nicht in Betracht komme.
Eine dem Transportversicherungswesen eigene Versicherungskonstellation ergibt sich überdies durch die Einbindung so genannter Assekuradeure. Diese sind weder dem Versicherer noch dem Versicherungsmakler gleichzustellen, weshalb deren Berechtigung zur Regressführung, insbesondere deren Aktivlegitimation, regelmäßig infrage gestellt wird. Hierzu hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 28.6.2017, Az. 3 U 6/17, ausgeführt, dass es insoweit nicht der Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz bedürfe.
VI. Verkehrsträger
-
Lufttransport
Das KG hat mit Beschluss vom 22.2.2017, Az. 14 U 35/16 die Obliegenheit des Empfängers zur Anzeige eines Transportschadens während der Luftbeförderung hervorgehoben, denn das internationale Montrealer Übereinkommen verlangt dies fristgebunden (Art. 31 MÜ). Ausreichend sei es nach Ansicht des Gerichts insoweit nicht, lediglich darauf hinzuweisen, dass es zu einem Schaden gekommen sein kann. Bei gegebenem Sachverhalt hätte nicht die Empfängerin selbst, sondern lediglich deren Kundin einen „Damage Report“ erstellt, welcher von der Empfängerin nicht an die in Anspruch Genommene weitergeleitet worden war.
Die Obliegenheit zur Schadenanzeige kann auch nicht durch Meldung beim „Lost and Found“ oder bei der Polizei ersetzt werden (AG Köln, Urteil vom 6.3.2017, Az. 142 C 57/16).
-
Landtransport
Das LG Ulm hat mit Urteil vom 19.5.2017, Az. 10 O 36/16 KfH, ausgeführt, dass § 437 HGB von dem internationalen Abkommen Art. 39 CMR verdrängt wird und das gem. Art. 13 CMR der Empfänger Ansprüche gegen den Unterfrachtführer geltend machen kann.
Nach dem Urteil des BGH vom 21.9.2017, Az. I ZR 47/16, darf die eine Weisung im Sinne des Art. 12 CMR als einseitiges Recht zur Änderung des Beförderungsvertrages weder dessen Kern ändern, noch dessen Natur betreffen.
In der Verplombung des vom Frachtführer zur Verfügung gestellten Transportbehältnisses kann die schlüssige Weisung gemäß Art. 12 CMR zu sehen sein, das Frachtgut beim Empfänger in dem verplombten Behältnis abzuliefern.
Ein eingesetzter Fahrer ist im Allgemeinen nicht dazu bevollmächtigt eine Weisung für den Frachtführer entgegen zu nehmen. Die entsprechende Weisung ist nicht rechtsverbindlich. Eine Missachtung führt dementsprechend nicht zur Haftung des Frachtführers.
-
Wassertransport
Das OLG Nürnberg hat mit Beschluss vom 30.3.2017, Az. 9 U 243/14 darauf hingewiesen, dass auch im Binnenschifffahrtrecht ein qualifiziertes Verschulden i.S.d. § 435 HGB relevant ist. So können Haftungsgrenzen entfallen, wenn i.S.d. § 5b I BinSchG der Schaden „absichtlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein des wahrscheinlichen Schadeneintritts“ verursacht wurde. Bei der subjektiven Komponente sei maßgeblich, ob der Auftragnehmer die sich aufdrängende Erkenntnis hatte, wonach wahrscheinlich ein Schaden eintritt.
Im konkreten Fall war es zum Schaden durch einen Anstoß beim Unterfahren einer Brücke gekommen.
VII. Öffentliches Recht
Im Transportrecht findet auch das öffentliche Recht regelmäßig Einzug.
Vielfach relevant ist insoweit ein Urteil des BGH vom 10.4.2017, Az. 4 StR 299/16, in welchem der BGH ausgeurteilt hat, dass Verstöße gegen die Straßenverkehrssicherheit, den Verfall des Transportlohns gemäß § 29a OWiG nach sich ziehen können (BGH, Urteil vom 10.4.2017, 4 StR 299/16).
(Quelle: NJW 2018, 991 ff.)
Insgesamt zeigt der Artikel die verschiedenen und schwierigen Fallkonstellationen im Bereich des Transport- und Speditionsrechts grob auf.
Gerade im Transportrecht ergeben sich darüber hinaus weitere Probleme im Prozessrecht aufgrund unterschiedlicher Gerichtsstände in verschiedenen Ländern.
Mit unserem Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht, Rechtsanwalt Thomas Betzer sowie Rechtsanwalt Sebastian Kobylarczyk, Absolvent des Fachanwaltlehrgangs Transport- und Speditionsrecht stehen Ihnen bei uns zwei Rechtsanwälte mit langjähriger Erfahrung in diesem Bereich zur Verfügung.
Beide vertreten bereits seit vielen Jahren erfolgreich Speditionen in ganz Europa. Aufgrund der muttersprachlichen Sprachkenntnisse sind mehrsprachig Beratungen auch fließend auf Englisch, Französisch und Polnisch problemlos möglich.
Aachen im Juni 2018
Sauren