Das LG Heidelberg hat entschieden, dass eine Eigenbedarfskündigung keinen Erfolg hat, wenn diese einen Härtefall für eine schwerbehinderte Mieterin zur Folge hat.
[Heidelberg] In einem bemerkenswerten Urteil hat das Landgericht Heidelberg entschieden, dass eine schwerbehinderte Mieterin nicht aus ihrer Wohnung ausziehen muss, obwohl ihre Vermieterin berechtigterweise Eigenbedarf für ihre pflegebedürftige Mutter geltend machen wollte.
Sachverhalt
Die Beklagte lebt seit dem Jahr 2004 in einer barrierefreien Erdgeschosswohnung, die speziell für ihre Bedürfnisse aufgrund einer Behinderung und Pflegebedürftigkeit ausgelegt ist. Die jetzigen Vermieter hatten die Wohnung im Jahr 2015 übernommen. Im Jahr 2023 sprachen diese eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aus, um die nahezu 90-jährige Mutter der Vermieterin dort unterzubringen. Die Mutter der Klägerin ist auf eine Gehhilfe angewiesen und hat Schwierigkeiten, ihre aktuelle Wohnung, welche im dritten Stock gelegen ist, ohne Aufzug zu verlassen oder zu erreichen. Zudem sollte sie von Familienangehörigen unterstützt werden, welche ebenfalls dort, in dem neuen Wohnhaus, leben sollten.
Härtefallregelung
Die Mieterin/Beklagte widersprach der Kündigung, da ihre intensiven Nachforschungen nach einer alternativen Wohnung in Heidelberg seit 2019 vergeblich verlief.
Gemäß § 574 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann ein Mieter der Kündigung widersprechen, wenn deren Vollzug eine unzumutbare Härte darstellen würde, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht gerechtfertigt ist.
Entscheidung der Vorinstanz
Das zuständige Gericht in der Erstinstanz hatte die Kündigung als rechtmäßig angesehen und der Räumungsklage der Vermieterin stattgegeben. Das Landgericht Heidelberg wies diese Entscheidung jedoch zurück. Das Gericht befand, dass die Kündigung zwar gerechtfertigt war, die Umstände dieses Härtefalls jedoch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses erforderlich machten.
Das LG Heidelberg stellte fest, dass sowohl die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Mutter der Vermieterin als auch die der Mieterin schwerwiegende Interessen darstellen. Die Mieterin ist auf die barrierefreie Wohnung angewiesen, und ihre medizinische und soziale Betreuung ist eng mit der aktuellen Wohnsituation verbunden. Zudem war die Suche nach einer Ersatzwohnung über vier Jahre hinweg erfolglos, trotz der Bemühungen der Vermieter, einschließlich der Beauftragung eines Maklers.
Das Gericht entschied daher, dass das Mietverhältnis bis auf Weiteres fortgeführt wird. Die Ungewissheit, wann und ob die Mieterin eine geeignete Ersatzwohnung finden könnte, führte zur Schlussfolgerung, dass die Interessen der Mieterin derzeit die der Vermieter überwiegen.
Dieses Urteil verdeutlicht, wie schwer Eigenbedarfskündigungen, die Königsdisziplin des Miet- und WEG-Rechts, in Härtefällen zu entscheiden sind. Die individuellen Umstände und die Lebenssituation der Mieter sind entscheidend für die Bewertung der Zumutbarkeit einer Kündigung.
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Landgericht Heidelberg, Urteil vom 20.06.2024 – 5 S 46/23
Rechtsanwalt Axel Kanert
AIXLAW Rechtsanwälte
Juli 2024