Grenzen für das Direktionsrecht des Arbeitgebers.

Darf ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Aufgaben zuweisen, die im Vergleich zu seiner bisherigen Tätigkeit weniger anspruchsvoll oder gar geringer bewertet sind? Diese Frage klärte das Bundesarbeitsgericht bereits vor nahezu 30 Jahren in einem Urteil vom 30. August 1995 (Az.: 1 AZR 47/95). Das Gericht stellte klar, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht dazu genutzt werden kann, einen Arbeitnehmer dauerhaft auf eine geringwertige Position zu versetzen, selbst wenn die Vergütung unverändert bleibt. Diese Thematik bleibt immer wider im Arbeitsleben aktuell

 

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer, der bei einer Behörde beschäftigt war, gegen seine Versetzung auf eine geringer bewertete Stelle geklagt. Diese Stelle war tariflich niedriger eingruppiert als seine ursprüngliche Position. Obwohl er weiterhin dieselbe Vergütung erhalten sollte, fühlte der Arbeitnehmer sich in seinen Rechten verletzt. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger recht und urteilte, dass es dem Arbeitgeber nicht gestattet sei, dem Arbeitnehmer einer geringwertigere Tätigkeit zuzuweisen, ohne dass hierfür triftige Gründe vorlägen.

 

Gleichwertigkeit der Tätigkeit: Mehr als nur eine Frage des Gehalts

Ein zentraler Aspekt des Urteils war die Frage, wie die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit zu bemessen ist. Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass die Gleichwertigkeit nicht allein durch das Gehalt definiert werde. Entscheidend sei vielmehr, wie die Tätigkeit innerhalb des Betriebs und im sozialen Umfeld bewertet wird. Im konkreten Fall war zwischen den Parteien unstreitig, dass die neue Position des Arbeitnehmers tariflich niedriger bewertet war. Dies stellte einen wesentlichen Anhaltspunkt dar, war jedoch nicht der einzige Faktor.

 

Das Gericht betonte, dass die Beurteilung der Gleichwertigkeit einer Tätigkeit stark von der im Betrieb gültigen Verkehrsauffassung abhängt. Es komme darauf an, wie die Tätigkeit im Betrieb und in der Gesellschaft angesehen wird. Dies bedeutet, dass auch der soziale Status, den eine bestimmte Aufgabe im Betrieb mit sich bringt, in die Bewertung einfließt. Auch wenn das Gehalt gleichbleibt, kann ein Arbeitnehmer durch die Zuweisung weniger prestigeträchtiger Aufgaben herabgestuft werden, was als Verstoß gegen seine vertraglich vereinbarten Rechte angesehen werden kann.

 

Schutz vor schleichender Entwertung des Arbeitsplatzes

Das Urteil ist besonders relevant für Fälle, in denen Arbeitgeber versuchen, durch schrittweise Änderungen der Arbeitsaufgaben die Position eines Arbeitnehmers abzuwerten. Oftmals geschieht dies unter dem Vorwand einer betrieblichen Umstrukturierung oder im Zuge der Veränderung von Arbeitsabläufen. In Wirklichkeit kann jedoch die Absicht dahinterstehen, den Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer unattraktiver zu gestalten, um ihn eventuell zur Eigenkündigung zu bewegen oder eine spätere Kündigung zu erleichtern.

Das Bundesarbeitsgericht schützt Arbeitnehmer vor dieser schleichenden Entwertung ihres Arbeitsplatzes. Wenn wesentliche, prägende Arbeitsaufgaben entzogen werden oder der Arbeitnehmer systematisch auf weniger anspruchsvolle Tätigkeiten verwiesen wird, kann dies nicht mit dem allgemeinen Direktionsrecht des Arbeitgebers gerechtfertigt werden. Der Arbeitgeber darf nicht einseitig und ohne triftigen Grund in das vertragliche Austauschverhältnis eingreifen, das zwischen ihm und dem Arbeitnehmer besteht.

 

Änderungskündigung als rechtlicher Rahmen

Wenn ein Arbeitgeber grundlegende Änderungen an den Arbeitsaufgaben eines Arbeitnehmers vornehmen möchte, die über sein Direktionsrecht hinausgehen, muss er eine sogenannte Änderungskündigung aussprechen. Bei einer Änderungskündigung wird das bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt, verbunden mit dem Angebot, den Arbeitnehmer zu geänderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. Eine solche Kündigung unterliegt dem allgemeinen Kündigungsschutz, und der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, diese Kündigung durch eine Kündigungsschutzklage gerichtlich überprüfen zu lassen.

Ein wertvoller Tipp: Arbeitnehmer sollten sorgfältig prüfen, ob eine ihnen zugewiesene neue Tätigkeit tatsächlich als gleichwertig zu ihrer bisherigen Arbeit angesehen werden kann. Wenn dies nicht der Fall ist, sollte eine Versetzung oder Umgestaltung der Arbeitsaufgaben nicht einfach hingenommen werden. Eine rechtliche Beratung kann klären, ob der Arbeitgeber mit seiner Entscheidung gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat und ob eine Klage Erfolgsaussichten hat.

Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Arbeitgeber versucht, Ihre Arbeitsaufgaben abzuwerten oder Sie systematisch auf eine unattraktivere Position zu versetzen? Möchten Sie Ihrem Mitarbeiter andere Tätigkeiten zuweisen, die ggf. im Lichte dieser Rechtsprechung gesehen werden können?

Gerne steht Ihnen unsere Fachabteilung von Arbeitsrechtlern mit Rat und Tat zur Seite

Rechtsanwalt Axel Kanert
Fachanwalt für Arbeitsrecht

AIXLAW Rechtsanwälte

August 2024