Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen ermöglichen kostengünstige Umfinanzierungen:
Wohl beinah jeder Erwachsene kennt die Formulierung Bankirrtum zu Ihren Gunsten – mannigfach gelesen auf einer „Ereigniskarte“ eines hinlänglich bekannten Gesellschaftsspiels. Was aber hat man sich unter einem Bankirrtumvorzustellen? Lassen Sie mich diese bekannte Floskel aus gegebenem Anlass nachfolgend mit etwas Leben füllen:
Im Zeitraum von November 2002 bis Juni 2010 haben etliche Banken Ihre Kunden bei Vertragsschluss von Verbraucherdarlehensverträgen nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung aber führt dazu, dass die eigentlich 14-tägige Widerrufsfrist jeweils nicht zu laufen begonnen hat. Da ein Widerruf kein Rücktritt vom Vertrag im eigentlichen Sinne ist, sondern „so getan wird, als hätte man den Vertrag nicht abgeschlossen“, können die betroffenen Kreditnehmer die entsprechenden Verträge unabhängig von Verjährungsproblematiken oder Vorfälligkeitsentschädigungen auch heute noch widerrufen.
Interessant ist das gerade bei Immobiliarkrediten, da hier zum einen die kreditierte Summe meist besonders hoch gewesen ist und zum anderen die marktüblichen Bauzinsen heute auf einem besonders niedrigen Niveau angelangt sind. Je nach Laufzeit und Bonität werden hier in der Region bisweilen Zinsen von unter 2% angeboten: bei einem historischen Zinsdurchschnitt von immerhin fast 8% stellt dies ein regelrechtes Rekordtief dar!
Durch die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag mit den heute völlig unattraktiven Zinskonditionen trotz noch bestehender Zinsbindung wirksam zu widerrufen, wird dem Kreditnehmer durch den ursprünglichen Fehler der Bank [vulgo dem Bankirrtum] ermöglicht, heute einen neuen, deutlich günstigeren Kredit aufzunehmen, um den alten Kredit somit kostengünstig „abzulösen“. Die im Zusammenhang mit vorzeitigere Rückzahlung von Krediten durch Banken oftmals erhobene Vorfälligkeitsentschädigung, kann in derartigen Widerrufsfällen gerade nicht erhoben werden! Das damit einhergehende Einsparpotential für die Kreditnehmer ist folglich ganz enorm.
Betroffen ist fast jeder Verbraucher, der im maßgeblichen Zeitraum Kredite abgeschlossen hat. Die Verbraucherzentralen Bremen, Sachsen und Hamburg haben insgesamt beinah 10.000 Widerrufsbelehrungen überprüft und konnten dabei in fast 80 % dieser Fälle Belehrungsfehler ausmachen; die Unwirksamkeit von über 50% dieser fehlerhaften Widerrufsbelehrungen wurde sogar bereits prozessual anerkannt!
Warum aber ist es überhaupt juristisch möglich, auch Jahre später noch von seinem Vertrag „zurückzutreten“? Heißt es nicht immer pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten?
Der Fehler im System liegt hierbei eigentlich weniger bei den Banken, sondern ist vielmehr Ausguss einer wohl eher nicht als geglückt zu bezeichnenden Gesetzgebung. In seinem Bestreben, die verschiedenen Regelungen zum Widerruf zu vereinheitlichen, hat der Gesetzgeber die Widerrufsmöglichkeiten im BGB zusammengefasst und kontinuierlich verbraucherfreundlicher ausgestaltet. In diesem Zusammenhang wurde sodann auch eine Musterbelehrung in derVerordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB InfoV) veröffentlicht, an welcher sich die Banken und Sparkassen bei ihren eigenen Widerrufsbelehrungen orientierten konnten. Durch ständig neue Verordnungen der EU sowie immer weitergehenden Erwägungen zum Verbraucherschutz haben sich die Anforderungen für den Widerruf und somit auch die notwendigen Inhalte der Widerrufsbelehrungen sodann permanent verändert.
Folglich ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch die Juristen aus dem Justizministerium irgendwann den Überblick über die europarechtlich oktroyierten Voraussetzungen für den Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen verloren haben. Heraus kam jedenfalls eine offizielle Musterbelehrung, die eigentlich von Beginn an per se unwirksam gewesen ist.
Als die ersten fehlerhaften Belehrungen höchstrichterlich begutachtet worden sind, hat der BGH dann jedoch entschieden, dass jene Banken, die den Belehrungstext wortwörtlich übernommen haben, schutzwürdig seien und auf die Geltungswirkung der Musterbelehrung vertrauen durften. Schließlich war es den kleineren Instituten ohne große Rechtsabteilung nicht zuzumuten, jene Fehler in den Belehrungen zu entdecken, die noch nicht einmal der Gesetzgeber finden konnte. Daher sollten diese Banken auch auf die Richtigkeit der Musterbelehrung vertrauen dürfen.
Die meisten Banken haben jedoch kleinere Korrekturen am jeweils geltenden Muster vorgenommen und dürfen sich deshalb nicht auf die Schutzwürdigkeit der Musterbelehrung berufen. Es gelang den Juristen der Banken nämlich äußerst selten, die komplexen Zusammenhänge und vor allem den für die Verbraucher maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist auf für Verbraucher verständliche Art und Weise richtig zu artikulieren. Selbst minimale Abweichungen vom Muster aber können die Belehrung unwirksam machen!
Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Widerrufsbelehrungen laufend geändert wurden, die Banken jeweils mehrere Varianten der Widerrufsbelehrungen verwendet haben und selbst die Musterbelehrungen wieder und wieder aktualisiert worden sind, lässt sich nicht pauschal beurteilen, welche Belehrung von welcher Bank eines jeweiligen Jahrgangs tatsächlich unwirksam ist.
Nur wenn die Widerrufsbelehrung dem zum Entstehungszeitpunkt geltendem Muster wortwörtlich entspricht, kann man wohl uneingeschränkt von der Wirksamkeit der Belehrung ausgehen.
Sind Sie der Auffassung, dass Ihr Kreditvertrag vom dargestellten Problem betroffen sein könnte, so lassen Sie diesen am besten von einem spezialisierten Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht wohnortnah prüfen. In Eigenregie ist eine derartige Prüfung kaum möglich, da viele der aufgetretenen Probleme zum Entstehungszeitpunkt ja nicht einmal von den beteiligten Juristen der Banken erkannt worden sind!
In eigener Sache dürfen wir auf unseren diesbezüglichen Service hinweisen: Für einen Pauschalbetrag in Höhe von EUR 150,00 brutto bieten wir Ihnen die Gelegenheit, Ihre Kreditverträge hinsichtlich einer etwaig fehlerhaften Widerrufsmöglichkeit von uns prüfen zu lassen. Für den Fall eines weitergehenden Engagements würden Ihnen die Kosten unserer Konsultierung aber selbstverständlich angerechnet werden. Sollten Sie tatsächlich von einer unwirksamen Widerrufsbelehrung betroffen sein und die Bank würde Ihren Widerruf rechtswidriger Weise zurückweisen, wäre aber ohnehin die Bank zur Übernahme der Anwaltskosten verpflichtet!
Ob Sie Ihren Kreditvertrag sodann tatsächlich widerrufen oder Ihrem Kreditinstitut gemäß dem zitierten Grundsatz nach wie vor Vertragstreue erweisen wollen, bleibt aber natürlich auch unter anderen Erwägungen zu eruieren.
In keinem Fall sollten Sie jedenfalls die Zahlung der noch offenen Raten einfach einstellen!
Aachen, im September 2014
-Stud. Jur. Arne C. Klingebiel-