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Vergeblicher Erwerbsaufwand für Beteiligung am künftigen Arbeitgeber – darum prüfe, wer in seinen künftigen Arbeitgeber investiert:

  1. Erwerbsaufwand ist den Einkünften zuzurechnen, zu denen der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang besteht.
  2. Aufwendungen eines Arbeitnehmers zum Erwerb einer Beteiligung an seinem (gegebenenfalls künftigen) Arbeitgeber sind regelmäßig auch dann nicht als (vorab entstandene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abzugsfähig, wenn die Zahlung Voraussetzung für den Abschluss des Anstellungsvertrages ist. Derartige Aufwendungen sind abzugrenzen von solchen im Zusammenhang mit einer Bürgschaftsübernahme oder Darlehensgewährung eines Arbeitnehmers zugunsten seines Arbeitgebers.

 

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.05.2017 – VI R 1/16

 

Die Kläger in dem obigen Verfahren waren Eheleute, die für das Streitjahr 2002 zur Einkommenssteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, wobei sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.2002 endete.

 

Am 13.12.2002 unterzeichnete der Kläger folgende Absichtserklärung: „Hiermit erkläre ich – Kläger – geb. am – Datum -, verbindlich, dass ich spätestens zum 01.04.2003 als Angestellter in die A- Unternehmensgruppe eintreten werde. Meine Tätigkeit als Angestellter wird die Übernahme einer Vorstandsposition in der noch zu grünendenden A-Holding AG sein. Die Gründung ist bis spätestens 31.03.2003 vorgesehen, sollte dies nicht der Fall sein, habe ich die Möglichkeit aufgrund noch zu vereinbarenden vertraglichen Regelungen aus dem noch zu schließenden Anstellungsvertrag regressfrei auszusteigen.“

 

Nach der Absichtserklärung war zudem Voraussetzung für den Abschluss des Anstellungsvertrags die Hinterlegung einer Summe in Höhe von 70.000,- € bis spätestens zum 31.12.2002 durch den Kläger auf ein noch zu benennendes Konto der A-Unternehmensgruppe (A-Gruppe). Vereinbart war, dass die zu hinterlegende Summe dem Erwerb von 7.000 Aktien aus einer nach Gründung der A-Holding AG durchzuführenden Kapitalerhöhung dienen sollte.

 

In der Folgezeit erklärten die unterzeichnenden Mitgesellschafter der A-Gruppe verbindlich, die vorstehende Absichtserklärung nach Hinterlegung der 70.000,- € anzunehmen und die AG bis zum 31.03.2003 verbindlich zu gründen.

 

Noch am 13.12.2002 einigten sich der Kläger und die A-Gruppe dahingehend, dass anstellte des in der Absichtserklärung genannten Betrages in Höhe eine Summe von 75.000,- € zu hinterlegen ist. Dadurch sollte die Beteiligungshöhe des Klägers an der AG auf 10% angehoben werden.

 

Am 18.12.2002 zahlte der Kläger den Betrag in Höhe von 75.000,- €.

 

Ende März 2003 erfuhr der Kläger, dass der Betrag abredewidrig als „Darlehen“ zugunsten der Y GmbH verwendet wurde.

 

Mitte Mai 2003 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Rückzahlung des Betrages von 75.000,- €.

 

Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 19.09.2003 erkannten die Geschäftsführer der GmbH eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger selbständig an. In der Folgezeit seitens des Klägers vorgenommene Pfändungen erbrachten jedoch keine Ergebnisse.

 

In der Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2002 machte der Kläger als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einen Verlust von 75.000,- € geltend.

 

Das beklagte Finanzamt führte die Veranlagung ohne diesen Verlust durch und begründete dies damit, dass es sich um einen Vorgang auf der privaten Vermögensebene handele.

 

Im erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren begehrten die Kläger die Berücksichtigung des Betrags von 75.000 € im Wege des Verlustrücktrags als Betriebsausgabe bei den Einkünften des Klägers aus seiner freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Nachdem der Kläger seinen Rücktritt erklärt habe, habe er den Betrag als Darlehen ausgereicht. Dieses sei im Jahr 2003 wertlos geworden.

 

Im Klageverfahren hielten die Kläger zunächst an der vorgenannten Auffassung fest, bevor sie schließlich die Berücksichtigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit begehrten.

 

Das FG Köln gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts führte zur Klageabweisung.

 

Aus den Gründen:

 

Zur Begründung führt der BFH aus, dass der Kläger den Betrag nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehen kann.

 

Gem. § 9 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.d. § 19 Abs. 1 EStG sind dies Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.

 

Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. […]

 

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Stehen die Aufwendungen zu mehreren Einkunftsarten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, entscheidet nach ständiger Rechtsprechung der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang. Danach sind Aufwendungen der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt.

[…]

Abzugrenzen sind jedoch solche Aufwendungen des Arbeitnehmers, die den Erwerb einer Beteiligung an dem Arbeitgeber betreffen. Derartige Aufwendungen sind nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls, „nicht ohne Weiteres“ den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzureichen, weil sie „im Allgemeinen“ nicht unmittelbar mit diesen Einkünften, sondern mit solchen aus Kapitalvermögen im Zusammenhang stehen, selbst wenn damit auch die Arbeitnehmertätigkeit gefördert wird.

 

Vielmehr spricht eine Vermutung dafür, dass der Arbeitnehmer mit dem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht nur die Sicherung seines Arbeitsplatzes beabsichtigt sondern auch die mit der Stellung als Gesellschafter verbundenen Rechte anstrebt. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerb der Beteiligung Voraussetzung für die Erlangung der angestrebten Position ist oder wenn sich der Steuerpflichtige beteiligt, um durch die Zuführung von Kapital den Fortbestand der Gesellschaft und damit gleichzeitig seinen eigenen Arbeitsplatz zu erhalten.

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Vermögensverlusten in Form eines Darlehens oder einer Bürgschaftsinanspruchnahme einerseits und einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft andererseits hat der erkennende Senat insbesondere deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil der Arbeitnehmer bei der Darlehens- oder Bürgschaftsgewährung ausschließlich das einseitige Risiko eines wirtschaftlichen Verlustes des Darlehens oder der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft auf sich nimmt. Demgegenüber besteht bei der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht nur die Gefahr eines Wertverlustes, sondern das übernommene Risiko enthält umgekehrt auch die Chance einer Wertsteigerung. Ein hieraus resultierender Gewinn wäre im Falle der Veräußerung entweder nach § 17 EStG oder § 23 EStG, nicht aber nach § 19 EStG zu versteuern.

 

Nur ausnahmsweise kann die Annahme in Betracht kommen, dass der Arbeitnehmer mit dem Erwerb einer Beteiligung nicht die mit der Stellung als Gesellschafter verbundenen Rechte, sondern nahezu ausschließlich die Sicherung seines bestehenden oder die Erlangung eines höherwertigen Arbeitsplatzes erstrebt. Das kann insbesondere bei fehlender Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen aus solchen Beteiligungen der Fall sein.

 

Im entschiedenen Fall diente der zu hinterlegende Betrag überwiegend dem Zweck des Anteilserwerbs an der AG, weshalb eine Veranlagung als Werbungskosten nicht möglich war.

 

Gerne beraten Sie unsere Fachanwälte in allen Belangen des Steuer- sowie Arbeitsrechtes.

 

Aachen im August 2017

 

Matthias Draheim

Rechtsreferendar