1. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses einer studentischen Hilfskraft nach § 6 WissZeitVG setzt voraus, dass der Arbeitsvertrag die Erbringung wissenschaftlicher oder künstlerischer Hilfstätigkeiten zum Gegenstand hat. Wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten sind Tätigkeiten, mit denen die wissenschaftliche Hilfskraft bei Forschung und Lehre anderen unterstützend zuarbeitet u. damit die Aufgabe der jeweiligen Einrichtung, der er zugeordnet ist, zu erfüllen hilft.

 

Als wissenschaftliche Dienstleistung kommt darüber hinaus die Mitarbeit bei allen den Professoren obliegenden Dienstauf-gaben in Betracht, etwa bei Unterrichtstätigkeiten, bei Prüfungen od. bei der Zu-sammenstellung wissenschaftlicher Materialien (Anschluss an BAG v. 8.6.2005 – 4 AZR 396/04 – juris zu § 3 Buchst g BAT), nicht jedoch technischen bzw. verwal-tungsmäßigen Tätigkeiten wie die Erledigung von Aufgaben im Sekretariat od. in der Bibliothek.

 

2. Fehlt es an der Erbringung solcher wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten findet bei beiderseitiger Tarifbindung der TV-L mit seiner Entgeltordnung Anwendung, da die Bereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 c TV-L nicht gilt.

LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.06.2018, Az. 7 Sa 143/18

Sachverhalt:

Die Klägerin studiert bei der Beklagten Informatik, und zwar nach erfolgreichem Abschluss ihres Bachelors am 09.03.2017 im Masterstudieng

Seit dem 15.09.2013 ist sie parallel zu ihrem Studium bei der Beklagten auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge als studentische Hilfskraft beschäftigt. Den letzten Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien mit Datum vom 04.08.2016 für eine Einstellung als studentische Hilfskraft im Sinne des § 121 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz BerlinHG) ab 08.08.2016. Dieser Arbeitsvertrag enthält unter § 2 folgende Befristungsabrede:

„Das Arbeitsverhältnis ist gemäß § 6 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (WissZeitVG) bis zum 30.06.2017 befristet. Im Falle einer Exmatrikulation vor diesem Termin endet das Arbeitsverhältnis mit der Exmatrikulation, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Abweichend davon endet das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des Semesters, in dem ein Hochschulabschluss abgelegt wurde, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die studentische Hilfskraft verpflichtet sich, der Abteilung für Personal und Personalentwicklung unverzüglich die Exmatrikulation bzw. den abschließenden Prüfungstermin eines jeden Studiengangs mitzuteilen.“

Weiterhin sind in § 3 des Arbeitsvertrages die Vorschriften des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte II in der am 10.01.2013 für die Beklagte geltende Fassung Bezug genommen.

Die Klägerin wurde im Rahmen eines Projekts zur Übertragung der grundlegenden Neuentwicklungen der Software „Plone“ in die Softwaresysteme der Beklagten beschäftigt. Dafür hatte die Beklagte u.a. Personalmittel aus dem Förderprogramm 2015/2016 für digitale Medien in Forschung, Lehre und Studium beantragt und bewilligt erhalten hatte . Dort war die Klägerin in der Zentraleinrichtung (ZE) Computer- und Medienservice (CMS) eingesetzt und mit der Programmierung von Erweiterungen für die Software Plone befasst. Bei dieser Software handelt es sich um ein Content Management System, welches der Erstellung, Bearbeitung und Organisation von Inhalten und Informationen in Datennetzen dient, um sie für die Nutzer solcher Netzwerke zugänglich zu machen.

Über ihren Bachelor-Abschluss unterrichtete die Klägerin die Beklagte nicht. Ob diese aufgrund eines Datenabgleichs im Mai 2017 gleichwohl Kenntnis davon erlangte, ist zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 10.03.2017 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Entfristung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30.06.2017 hinaus geltend, dies mit der Begründung, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz finde auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Weiterhin verlangte sie Vergütung nach der Entgeltgruppe 9, hilfsweise 8 TVL seit dem 01.01.2015, hilfsweise seit dem 08.08.2016. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben ihrer Abteilung Personal und Personalentwicklung vom 24.05.2017 ab.

Entscheidung:

Das LAG hat entschieden, dass eine Befristung nach § 6 WissZeitVG mithin voraussetzt, dass der Arbeitsvertrag die Erbringung wissenschaftlicher bzw. künstlerischer Hilfstätigkeiten zum Gegenstand hat. Die vertragsgemäße Beschäftigung muss auf die Erledigung wissenschaftsspezifischer Aufgaben gerichtet sein. Dies ist der Fall, wenn die wissenschaftliche Arbeit eines an einer deutschen Hochschule tätigen Wissenschaftlers unmittelbar unterstützt wird, wobei an die Wissenschaftlichkeit des vorgesehenen Einsatzes keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, da nach dem Gesetz jede „Hilfs“-Tätigkeit genügt (vgl. ErfK/Müller-Glöge § 6 WissZeitVG Rz. 3).

Unter wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten sind Tätigkeiten zu verstehen, mit denen der wissenschaftliche Mitarbeiter bei Forschung und Lehre anderen unterstützend zuarbeitet und damit die Aufgabe der jeweiligen Einrichtung, der er zugeordnet ist, zu erfüllen hilft. Als wissenschaftliche Dienstleistung kommt darüber hinaus die Mitarbeit bei allen den Professoren obliegenden Dienstaufgaben in Betracht, etwa bei Unterrichtstätigkeiten, bei Prüfungen oder bei der Zusammenstellung wissenschaftlicher Materialien (BAG v. 8.6.2005 – 4 AZR 396/04 – juris zu § 3 Buchst g BAT; ErfK/Müller-Glöge § 6 WissZeitVG Rz. 3; APS/Schmidt § 6 WissZeitVG Rnr. 4; Koch in Schaub Arbeitsrechtshandbuch § 39 Rz. 31).

Abzugrenzen davon sind die technischen bzw. verwaltungsmäßigen Tätigkeiten wie die Erledigung von Aufgaben im Sekretariat oder in der Bibliothek (ErfK/Müller-Glöge § 6 Rz. 3). Mit einer solchen Unterscheidung wird auch für den Bereich der wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten dem Gedanken des WissZeitVG Rechnung getragen, dass sich eine auf dieses Gesetz gestützte sachgrundlose Befristung aus der Qualifikationsmöglichkeit des Mitarbeiters rechtfertigt, also auch aus der Qualifikationsmöglichkeit des studentischen Mitarbeiters. Dabei reicht allein die Nutzung der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Hochschulstudiums für eine Tätigkeit nicht aus, um diese zu einer wissenschaftlichen Dienstleistung zu machen (BAG 8.6.2005 – 4 AZR 396/04). So hat das BAG in dieser Entscheidung die Tätigkeit einer studentischen Hilfskraft bei der Neugestaltung der universitären Website nicht als wissenschaftliche Tätigkeit eingeordnet, weil sie keinen Bezug zu dem Prozess, Erkenntnisse mit den Methoden der Wissenschaft zu gewinnen oder sie zur Vermittlung in eine bestimmte inhaltliche Form zu bringen, habe, sondern es allein um die EDV-technische Aufbereitung vorgegebener Informationen gegangen sei. Entscheidend sei die Nähe des Beschäftigten zu wissenschaftlichen Tätigkeiten (BAG 08.06.2005 – 4 AZR 396/04).

Die Klägerin war – ausgehend von diesen Grundsätzen – nicht für eine in diesem Sinne wissenschaftliche Hilfstätigkeit eingestellt. Auf der Grundlage der Beschreibung des Projektes, in dessen Rahmen die Klägerin beschäftigt wurde, war sie mit der Programmierung von Erweiterungen für die Software Plone befasst, um diese Software den spezifischen Anforderungen der Nutzung im Bereich der Beklagten anzupassen.

Dies ist keine Tätigkeit zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bzw. die Erbringung von Hilfstätigkeiten (Vorarbeiten, Zuarbeiten), sondern eine Tätigkeit, die möglicherweise auf der Basis ansonsten gewonnener wissenschaftlicher Erkenntnisse (EDV) verwaltungstechnischer Art war.

Die Klägerin war keinem Lehrstuhl zugeordnet, sondern der Zentraleinrichtung Computer und Medienservice. Dass diese Zentraleinrichtung selbst Forschung und Lehre betrieben hat, hat die Beklagte nicht dargetan. Bei der Tätigkeit der Klägerin ging es allein darum, in Umsetzung bereits vorliegender Erkenntnisse Anwendungsprogramme zu entwickeln, die ihrerseits dazu dienen sollten, die Tätigkeit anderer Mitarbeiter zu erleichtern oder zu gestalten. Dass sie dabei bereits im Studium erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten nutzen konnte, macht ihre Tätigkeit nicht zu einer wissenschaftlichen Hilfstätigkeit. Die Tätigkeit der Klägerin hatte keinen Bezug zu dem Prozess, Erkenntnisse mit den Methoden der Wissenschaft zu gewinnen oder sie zur Vermittlung in eine bestimmte inhaltliche Form zu bringen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die Ergebnisse ihrer Arbeit dienten u.a. der Erleichterung der wissenschaftlichen Tätigkeit der Hochschullehrer, so bezog sich dies lediglich auf die Gestaltung von deren Website und betraf damit nur die „technische“ Seite, wie die Professoren ihre Website gestalten und welche Aufgaben sie dort einstellen wollen. Das stellt aber keinen eigenen Beitrag zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen selbst dar. Auch wenn nach § 6 WissZeitVG jede (wissenschaftliche) Hilfstätigkeit ausreichend ist, reicht doch nicht jede die Lehrkräfte unterstützende Tätigkeit aus. Es fehlt der Klägerin an der Nähe zu wissenschaftlichen Tätigkeiten. Anderenfalls wäre jede studentische Hilfstätigkeit im Bereich der Universität eine wissenschaftliche Hilfstätigkeit, weil sie stets in gewisser Weise dem Hochschulbetrieb und damit auch den Dozenten und Studierenden zugutekommt. Dem entspricht es aber nicht, dass § 6 WissZeitVG für die Befristungsmöglichkeit nicht allein auf den Status des Studenten abstellt, sondern weiterhin die Erbringung wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten fordert.

Fazit

Da die Beklagte keine wissenschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne ausübte, war sie nach dem Tarifvertrag TV-L einzugruppieren. Darüber hinaus wurde das befristete Arbeitsverhältnis in ein Dauerschuldverhältnis umgewandelt.

 

Für Fragen Rund um das Thema Arbeitsrecht stehen Ihnen unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht, Thomas Betzer und Axel Kanert, sowie Rechtsanwalt Christoph Schüll jederzeit gerne mit Rat und Tat zur Seite.

 

Aachen im September 2018

Draheim, Rechtsanwalt